Mit einer Base in Sankt Pölten, mitten in Niederösterreich, kann man auf Strava definitiv nicht mit den steilsten Anstiegen punkten. Es ist natürlich immer eine Frage von Zeit und Wille – wie weit bist du bereit zu fahren?
Unsere Gedanken spielen uns, denke ich, oft einen Streich. Wir sind es gewohnt, auf Social Media mit Eindrücken aus der ganzen Welt in rauen Mengen konfrontiert zu werden. Es passiert also schnell, dass wir Vergleiche anstellen – würde ich dort wohnen, die Berge dort sind schöner, die Straßen besser — hätte, hätte, Fahrradkette. Wir vergessen oft, dass das große Glück in den kleinen Momenten liegt und dass dich die nächste atemberaubende Landschaft oder das nächste unvergessliches Abenteuer mehr oder weniger direkt vor der Haustüre erwarten. Und selbst wenn es nicht der steilste Anstieg ist – die Natur belohnt dich oft mit einzigartigen Lichtspielen oder tierischen Begegnungen während deiner Ausfahrt. Im Zweifelsfall wertest du jede Fahrt mit einem Kaffeestopp auf. Das ist zumindest meine Rede.
In diesem Beitrag möchte ich euch zu ein paar meiner liebsten Anstiege in der unmittelbaren Umgebung von St. Pölten mitnehmen. Und noch viel wichtiger, zum (Eis-)Kaffee danach.
Stollberg: Und danach die Trüffelschnitte
Der erste Anstieg, der sich mittlerweile zu einem meiner liebsten Ziele gemausert hat, ist der Stollberg. Die Auffahrt ist von Stössing oder in zwei Varianten von Untergoin möglich. Ich persönlich finde die Auffahrt von Untergoin über Hochstraß am schönsten – die Strecke ist sehr ruhig und wenig befahren. Auf einer Distanz von 5,92 km werden 244 Höhenmeter zurück gelegt – die durchschnittliche Steigung beträgt also 4,1%. Die Route ist leicht zu finden – aus Michelbach kommend biegst du beim Landgasthaus Schwarzwallner links ein und beginnst dann den Aufstieg.
Gemütliche Tour hinauf auf den Stolberg: Es gibt herrliche Aussichten und nette Begegnungen.
Nach dem rhythmischen Anstieg wird man mit einer rasanten Abfahrt belohnt und fährt über Brand Laaben und Stössing retour Richtung Böheimkirchen. Die Strecke bleibt hier weiterhin ruhig und es fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, welche Ecken in der Umgebung ich mit zwei Rädern erkunde, die ich mit dem Auto in den letzten dreißig Jahren nicht entdeckt habe.
Die Strecke ist kaum befahren und wunderbar ruhig. In Böheimkirchen wartet die Trüffelschnitte als Belohnung – oder der herrlich erfrischende Eiskaffee
Damit sind wir auch schon bei meinem persönlichen Highlight der Tour – der Eiskaffee-Stop in der Konditorei Bachinger. An heißen Tagen ist der Wiener Eiskaffee für mich die beste Wahl, allerdings überzeugen auch alle weitere Eissorten und du hast die Qual der Wahl. Sollte sich die Sonne bei der Ausfahrt verstecken, rate ich euch zur Stärkung mit Kaffee und Kuchen. Mein persönlicher Favorit ist die Trüffelschnitte – bei der Auswahl findet aber garantiert jeder etwas. Ihr werdet den Stopp in keinem Fall bereuen. Mit Eiskaffee gestärkt und der Sonne im Rücken geht es über eine kleine Schlaufe nach Totzenbach, ehe wir uns auf den Rückweg nach St. Pölten machen. Mit 89 km und knapp 1100 Höhenmetern eine herrliche und abwechslungsreiche Ausfahrt.
Hegerberg: Die Beine brennen doch
Wir bleiben in der Wienerwaldregion. Sollte man die Route abkürzen wollen oder gegebenenfalls einen weiteren Anstieg hinzufügen wollen, kann ich euch den Hegerberg ans Herz legen. Bereits die Anfahrt ist herrlich, da es mit zunehmender Entfernung zur Stadt ruhiger und grüner wird. Während ich den Stollberg als rhythmisch bezeichnen würde, brennen die Beinchen beim Hegerberg schon etwas mehr. Landschaftlich bevorzuge ich die Südwestauffahrt von Finsteregg, bei der auf einer Strecke von 3,3 km 301 Höhenmeter zurückgelegt werden. Die durchschnittliche Steigung beträgt 9,1%.
Durchschnittliche Steigung: 9,1%. Da können die Beinchen schon mal ein wenig brennen.
Einmal oben angekommen hat man bei guter Sicht einen herrlichen Ausblick bis nach St. Pölten. Das Highlight der Abfahrt sind wohl die beiden anfänglichen Serpentinen, bevor es durch ein kurzes waldiges Stück und anschließend weiterhin rasant bergab geht. Besonders schön ist der Anstieg in der Abendsonne, wenn die Wiesen bereits golden leuchten. Die Fahrt über Stössing Richtung Böheimkirchen macht vor allem deshalb Spaß, weil es zumeist leicht bergab geht und man hier auf größtenteils gutem Asphalt entsprechend Tempo machen kann. Ein Stopp in der Konditorei Bachinger darf vor dem Retourweg nach St. Pölten auch nach dem Hegerberg nicht fehlen. Seht ihr schon ein Muster in meiner Routenplanung?
Ländliche Orte, verträumte Alleen – und Gott sei Dank immer wieder der Bachinger…
Mit ca. 54 km und 700 Höhenmetern ist die Tour um ein gutes Stück kürzer und bietet sich für laue Sommer(feier)abende bestens an.
Annaberg: Atemberaubend schön
Richtungswechsel – eine der längeren Routen führt uns ins Pielachtal. Es geht von St. Pölten über Obergrafendorf Richtung Hofstetten und immer weiter ins tiefste Pielachtal. Angenehm ist, dass die Route nach Weinburg immer derselben Straße folgt und es mit jedem Kilometer auch deutlich ruhiger wird, bis man spätestens nach Frankenfels das Gefühl hat, die Zivilisation zu verlassen. Bis hierher und noch ein gutes Stück weiter verläuft die Route beinahe durchgehend eben. Auf dem Parkplatz der Nixhöhle ist mein obligatorischer Stopp, um gegebenenfalls das Windgilet auszuziehen, einen Riegel zu essen und mich mental auf den anstehenden Anstieg vorzubereiten. Denn über eine erste Rampe und die darauffolgenden Serpentinen geht es stetig bergauf Richtung Wastl am Walde.
Spätestens in Frankenfels hat man die Zivilisation hinter sich gelassen…
Die Strecke ist atemberaubend schön und ruhig. Egal, ob der Wald im Sommer Schatten spendet oder nach einem verregneten Morgen der Dunst aufsteigt – es ist immer magisch. Richtung Puchenstuben können sich die Beine, wenn auch nur kurz, erholen, bevor der Anstieg weitergeht. Die Abfahrt durch den Wald ist ebenfalls ein wunderschönes Erlebnis – die Augen sollten trotzdem konzentriert am Asphalt liegen, denn dessen Zustand ist immer wieder einmal mehr schlecht als recht. Es lohnt sich aber in jedem Fall, kurz stehen zu bleiben und den Ausblick zu genießen. Immer wieder kann man den Ötscher oder aber bereits Annaberg erspähen. Auf dem 15,1 km langen Anstieg erklimmt man 605 Höhenmeter, somit beträgt die Steigung im Schnitt 4%, und hat man einmal seinen Rhythmus gefunden, fährt es sich sehr angenehm und in konstantem Tempo.
Immer wieder öffnen sich Ausblicke auf den Ötscher – oder auf friedlich
neben der Straße weidende Kühe.
Die Beine sind nach der Abfahrt etwas kühl, und wenn man links auf die Hauptstraße Richtung Annaberg fährt, fühlt sich die leichte Steigung wie 10% an. Auf dem kommenden Stück kann man sich noch einmal aufwärmen, bevor es letztendlich zum finalen Anstieg nach Annaberg geht. Wenn eure Beine müde sind, denkt daran: der Gasthof Meyer ist nicht mehr weit entfernt. Dort kann man sich bei einer warmen Frittatensuppe oder an wärmeren Tagen bei Kaffee und Kuchen in der Sonne stärken. Ein letzter Blick Richtung Alpenvorland und ab nachhause. Von Annaberg geht es einige Serpentinen hinab, bevor man letztlich über das Traisental Richtung St. Pölten retour rollt. Im leichten Gefälle vergeht die Heimfahrt wie im Flug und mit jedem Kilometer kommt man zurück in die Zivilisation. Insgesamt ist die Tour 130 km lang und fordert den Beinen 1130 Höhenmeter ab.
Jede dieser drei Routen ist besonders und zeigt mir die Schönheit, die sich direkt vor der eigenen Haustüre befindet. Während man sich durchaus nach fernen Anstiegen, Routen und Gelati sehnen darf, ist es wichtig, zu schätzen, welch schöne Fleckchen Erde sich in unmittelbarer Umgebung verstecken und die Beine aus der Reserve locken können.
Bevor es zurück nach St. Pölten geht: Kaffee und Kuchen im Gasthaus Meyer müssen sein!
Wo verschlägt es dich bei deinen Alltagsrouten hin und wann hast du zuletzt eine neue Strecke in deiner Umgebung erkundet? Und noch viel wichtiger: welche Süßspeise lässt dein Kaffee-und-Kuchen-Stopp Herz höher schlagen?
Schreibe einen Kommentar