Sattelgeflüster

Eine persönliche Liebeserklärung ans Fahrradfahren, Fotografieren – und an fantastische Eiscremen.

Zwischen Meer und Bergen: Ligurien auf zwei Rädern

Es war unser erstes Mal. Das erste Mal mit dem Nightjet und unseren Canyon Gravel Bikes im Gepäck. Um die Räder transportieren zu dürfen, müssen sie entsprechend zerlegt werden. Einige Youtube-Videos später sitzt unsere Taktik, und am Bahnhof Salzburg funktioniert alles nach Plan. Der Einstieg mit den Einzelteilen ist gewöhnungsbedürftig, doch schon bald setzt die Entspannung ein und nach einer gemütlichen Nacht im Zug wachen wir in Italien auf. Der Service an Bord des Nightjets lässt keine Wünsche offen. Mit einem Frühstück gestärkt und mithilfe einiger freundlicher Mitreisender sind alle Einzelteile aus dem Zug geschafft, und wir bauen die Räder am Bahnhof in Genua wieder zusammen.

Das erste Mal…

Die Sonne scheint bereits – und wir wissen, der nächste Kaffee ist nur ein paar Pedaltritte entfernt. Um die Räder sicher nach Italien zu bringen, haben wir viel Packfolie benutzt, die wir bis zu unserer Abreise in der Gepäckaufbewahrung in der Via Barbi verstauen. Die 8-tägige Lagerung kostet uns 72 Euro. 

Es kann losgehen! Wir setzen uns langsam in Bewegung. Die Betonung liegt auf langsam, der Verkehr aus der Hafenstadt Genua ist stockend und hektisch zugleich. Es gibt glücklicherweise immer wieder Radwege, ansonsten verläuft die Route an einer stark befahrenen Strada Statale. Es scheint fast, als ob der Weg aus Genua dazu da ist, die eigene Anspannung und die Hektik aus dem Alltag hinter sich zu lassen. Denn je weiter wir uns von Genua entfernen, desto ruhiger wird es. Desto entspannter werden unsere eigenen Schultern. Und dann ist er da, der erste Blick auf das Meer – wir kommen an. 

Unsere treuen Begleiter: jeweils zwei Reifen und zwei gesunde Beine.

Auch der Zustand der Radwege wird mit zunehmender Entfernung zu Genua besser. Wir radeln schon bald entlang der Küste, von einem malerischen Dorf ins andere. Die Fassaden strahlen in knalligen Orange-, Gelb- und Rottönen. Aus den Kaffeehäusern ertönt das Klirren der Tassen, die Menschen genießen es, draußen und zusammen zu sein. Einige Küstenorte sind besonders einladend, zum Beispiel Arenzano, Noli, Finale Ligure und Albenga. Sie bieten sich an, um kurze Pausen zu machen und sich bei Caffè, Brioche oder einer guten Portion Pasta zu stärken. 

Wir stärken uns in Noli an der Promenade mit Bruschetta und Cola. Bevor es weiter geht, rollen wir kurz durchs Zentrum, wo ebenfalls einige Lokale zum Verweilen einladen. 

Der Blick vom Zimmer im B&B Palazzo Duca lädt zum Träumen ein (links). Die Chiesa San Giovanni Battista ist das Herzstück von Cervi (Mitte). In der Altstadt von Noli heißt es: Tempo zügeln.

Nicht nur, weil die Gassen eng sind, sondern vor allem, um den Charme des Küstenortes

genießen zu können.

STOP AND GO. Der Streckenabschnitt von Finale Ligure bis Albenga ist weniger berauschend, es herrscht hier immer wieder Stop and Go-Verkehr und der Blick aufs Meer fehlt. Besonders das Stadtbild von Savona ist von Industrie geprägt. Wenn gerade kein Radweg vorhanden ist, gibt es meistens breite Pannenstreifen, die befahren werden können. Die Anstiege zwischen Genua und Cervo sind sanft, zwischen drei und sieben Prozent steil. Jeder Anstieg wird mit einem traumhaften Ausblick belohnt, entweder auf das glitzernde Meer in den zahlreichen, einladenden Badebuchten oder auf den nächsten bunten Küstenort. 

In Albenga nutzen wir noch einmal die Möglichkeit für einen letzten Kaffee und freuen uns, die Stadt in ein paar Tagen noch genauer erkunden zu können. Nach rund 110 Kilometer fahren wir in Cervo ein, das imposant auf einem Hang über dem Meer thront. Wir erreichen den Ort über die Via delle Alpi und kommen in unserer Bleibe an, dem Bed and Breakfast Palazzo Duca. Alle Anstrengung ist vergessen, als wir den Blick aufs Meer von unserem kleinen, aber feinen Zimmer sehen. Wir erkennen die Küstenstraße, über die wir hergekommen sind, die mittlerweile von der tiefstehenden Sonne golden beleuchtet wird. Wir werden sehr herzlich empfangen und dürfen unsere Räder hinter einer verschlossenen Terrasse über Nacht abstellen.

Sonne tanken beim Frühstück auf der Terrasse des B&B Palazzo (links). Die Straßen gehören, zumindest am Morgen, uns allein (Mitte). Stärkung im Café Buona Vita nach dem Abstieg

nach La Cipressa (rechts).

IMMER DER NASE NACH. Cervo ist durchaus verschlafen, beeindruckt aber durch die zahlreichen malerischen Gassen. Wir sind froh, dass wir die Räder in der Unterkunft bereits sicher abgestellt haben, da es im Ortskern sehr viele Stufen gibt. Nach 110 Kilometer in den Beinen geht es für uns immer der Nase nach und wir kehren in der Hostaria/Pizzeria A Veggia Baracca ein. Wir schweigen nicht nur, weil wir müde sind, sondern weil die Pizza köstlich ist. Den ersten Tag schließen wir mit dem ausgezeichneten hausgemachten Tiramisu ab.

Ciao Italia

Der zweite Tag könnte nicht herrlicher starten als mit einem Frühstück auf der Terrasse des Palazzo Duca. Diese ist übrigens für Gäste immer offen und bietet einen herrlichen Blick auf Cervo und die umliegende Küste. Die Auswahl ist mehr als reichhaltig, es gibt Focaccia, einen bunten Obstsalat, Kuchen, Brioche und Vieles mehr. Genau die richtige Stärkung vor der nächsten Etappe. Und heute heißt es: Ciao Italia und Bonjour France! 

Am Weg nach Ventimiglia kann man das Meer in all seinen Blautönen genießen (links).

Während wir uns bergauf in Richtung La Turbie kämpfen, eröffnet sich uns ein traumhafter

Blick auf Monaco (rechts).

Wir verlassen das noch verschlafene Cervo. Es dauert einige Pedaltritte, bis uns warm wird. Die Luft ist morgens noch frisch, die Sonne wird zum Glück von Minute zu Minute stärker. Unsere Ärmlinge und Beinlinge erweisen sich als treue Begleiter. Sie nehmen nicht viel Platz ein, sind aber ideal für die noch kühlen Morgenstunden. 

Spätestens beim Anstieg am Capo Berta ist der Körper auf Betriebstemperatur. Es bieten sich wieder atemberaubende Blicke auf die ligurische Küste. Zwischen Imperia und San Remo gibt es einen großartig ausgebauten und sehr breiten Radweg. Immer wieder werden auch Tunnel passiert, die ausreichend beleuchtet sind. Aufgrund von Sanierungsarbeiten kann es vorkommen, dass man auf die Hauptstraße ausweichen muss. 

EIN BISSCHEN MAILAND – SAN REMO. Wer sich dafür entscheidet, diesen Abschnitt mit dem Rad zu fahren, sollte unbedingt einen Stopp in Cipressa einlegen. Es handelt sich um einen berühmten Anstieg, der Teil des bekannten Rennens Mailand – San Remo ist. Die wahren Fans wissen also, was einen erwartet: ein sanfter, ruhiger Aufstieg zwischen Olivenhainen und viele beeindruckende Blicke aufs Meer. Der Ort Cipressa selbst ist überschaubar und ruhig, am besten stärkt man sich hier im Café Buona Vita. Der Stellenwert von Rennrad fahren ist in Italien einzigartig, so ist das Café mit einigen Fotos und Dressen bekannter Radprofis dekoriert. Nicht selten erntet man hier wertschätzende Blicke für seine Fahrräder. Nach unserem kleinen Ausflug geht es weiter Richtung Frankreich. Wir haben bereits einige Kilometer in den Beinen und entscheiden uns, in Ventimiglia einzukehren. Vor der Einfahrt ins Zentrum erblickt man den malerischen Ort bereits von der Küste aus. Nach einem Anstieg über Kopfsteinpflaster erreichen wir das Lokal „Porta Nizza“. Mit Blick auf Palmen und das azurblaue Meer stärken wir uns bei Pasta und Bruschetta. Das Lokal ist sehr preiswert und wir wärmen uns noch einige Zeit lang in der Mittagssonne auf.  

Es sind die kleinen Freuden: Sonne tanken am Weg nach Poggio.

BONJOUR LA FRANCE. Wir stehen buchstäblich am Tor zu Frankreich. Nach einem längeren Tunnel erreichen wir die Grenze. Es ist ein besonderes Gefühl, mit dem Fahrrad eine Landesgrenze zu überqueren. Es verläuft unkompliziert und schon pedalieren wir auf französischem Asphalt und fahren direkt in Menton ein. Die hübsche Küstenstadt ist unser Endziel, doch wir wollen vorher noch nach Èze und haben daher keine Zeit zu verlieren. Zugegebenermaßen fällt es uns schwer, nicht in einem der einladenden Cafés Halt zu machen. Die Promenade ist gesäumt mit Boulangerien, man kann die frischen Croissants förmlich riechen. 

Wir lassen Menton hinter uns und erreichen direkt den Anstieg La Turbie. Es geht circa zwölf Kilometer bei vier bis fünf Prozent Steigung im Schnitt bergauf. Sobald man seinen Rhythmus für La Turbie gefunden hat, kann man ihn genießen und mit ihm die zahlreichen Ausblicke, nicht zuletzt über Monaco. Es herrscht doch einigermaßen reger Verkehr, allerdings können die Autos aufgrund der gewundenen, etwas engen Straße nicht mehr als 30 – 50 km/h fahren. La Turbie selbst wirkt mit seinen vielen Cafés und seiner Trophée d’Auguste sehr einladend und ist auf jeden Fall einen Stopp wert. 
Doch für uns geht es weiter Richtung Èze, und schon bald erreichen wir eine Gabelung. Um in den Ort zu kommen, fahren wir Richtung Èze Village. Nachdem es bis hierher stets bergauf gegangen ist, folgt endlich ein Stück bergab und wir erreichen nach kurzer Fahrt den Ortskern. Èze ist nicht sonderlich groß, begeistert aber aufgrund seiner Lage, den engen Gassen und den malerischen Steinhäusern. Auch von hier aus erblicken wir immer wieder das Meer. Die Mitnahme des Fahrrads ist ehrlich gesagt eher unpraktisch, da es im gesamten Ort nur Stufen gibt. Alternativ kann man die Räder am Tor der Altstadt absperren, um die Entdeckungstour in Ruhe genießen zu können. Es gibt viele kleine Läden, Lokale aber auch einige Touristen und vor allem größere Reisegruppen, die mit Bussen anreisen.

Eine Aussicht für sich: Der Blick auf die französischen Leckereien (links). Dolcedo

mag verschlafen sein, bietet aber einige schöne Plätzchen zum Entdecken (Mitte).

Ein anderer fantastischer Ausblick ist der auf die ligurische Küste (rechts).

Wir sind froh, den Ort erkundet zu haben, freuen uns aber auch, dem Trubel zu entfliehen und begeben uns auf den Rückweg nach Menton. Es geht endlich bergab! Die Sonne scheint zwar noch, doch für die doch recht lange Abfahrt ist es sinnvoll, das Gillet und die Ärmlinge auszupacken. 

DAS CROISSANT MUSS WARTEN. Einmal in Menton angekommen, werden wir recht rasch enttäuscht: die Boulangerien haben bereits geschlossen. Das Croissant muss also bis zum nächsten Morgen warten. Wir checken in unserem Hotel, dem Hôtel de Londres, ein. Das Personal ist sehr freundlich, die Räder dürfen wir im Personalraum absperren. Wir erkunden einen Abend lang das zauberhafte Menton – wir spüren die Mischung aus italienischem und französischem Einfluss. Während die Fassaden in Italien in kräftigen Farben erstrahlen, sind diese in Menton eher in Pastelltönen gehalten. Wir spazieren durch die malerischen Gassen und die breite Küstenpromenade. Schließlich kehren wir in der Pizzeria Al Vecchio Forno ein, in der wir auf Italienisch bedient werden. Den Tag beenden wir heute nicht mit Tiramisu, sondern mit einem Crêpe in der Crêperie Fleur de Sel. Es gibt hier eine ausgiebige Auswahl an Galettes und Crêpes. Uns überzeugt die hausgemachte Schokoladesoße. 

Gebäck im Gepäck: Baguette muss mit

Dolcedo ist Italien pur – da darf die italienische Vespa natürlich nicht fehlen!

Der Besuch in Frankreich war ein kurzes Vergnügen und so geht es in unserer dritten Etappe bereits retour nach Bella Italia. Doch einen obligatorischen Stopp gibt es da noch: Frühstück in einer Boulangerie. Wir entscheiden uns für das Artisan Boulanger – die Auswahl ist fantastisch und es gibt hier die zweitbesten Croissants der Region Alpes Maritimes (laut einem Wettbewerb aus dem Jahr 2022). Nachdem wir einige Leckereien gekostet haben und uns ein Baguette für zwischendurch sichern, treten wir in die Pedale. 

ZURÜCK IN ITALIEN. Die Strecke ist bekannt, und dennoch entdecken wir viele schöne neue Ecken. So stärken wir uns in Ospedaletti bei einem weiteren Kaffee. Die vielen kleinen Cafés an der Uferpromenade laden zum Verweilen und Beobachten des bunten Treibens ein. In Ospedaletti bekommt man ein Gefühl dafür, was die Italiener unter Dolce far niente verstehen. 

Der Radweg ist zwischen Bussana und Osepdaletti am Malerischsten, da er direkt am Meer entlang verläuft. Das Stück von San Lorenzo al mare bis Santo Stefano al mare ist hingegen weniger spektakulär und bietet weniger Blicke aufs Meer. 

Auf der dritten Etappe nehmen wir uns wieder einen bekannten Aufstieg vor, und zwar geht es hoch nach Poggio. Vom Radweg aus ist die Route etwas schwieriger zu finden, deshalb ist es besser hier auf die Strada Statale 1 zu wechseln. Der Anstieg ist moderat, sodass man den Ausblick auf das Meer und die umliegenden Berge in vollen Zügen genießen kann. Er ist auch wenig befahren und einige Plätzchen bieten sich für Foto-Stops an. Der Ortskern selbst ist sehr überschaubar und ruhig. Man bekommt hier ein Gefühl für das authentische Italien, fernab von Touristenmassen. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen, um uns mit dem aus Frankreich importierten Baguette zu stärken. 

Himmlische Ruhe: die Straßen gehören hier wieder uns ganz alleine.

AB INS HINTERLAND. Bevor es für uns noch Albenga geht, wollen wir noch einen Abstecher ins Hinterland machen und Dolcedo erkunden. Es ist eine flache Fahrt, die Straßen werden allerdings mit zunehmender Entfernung zur Küste holpriger. Auch Dolcedo wirkt für uns sehr verschlafen, wobei das auch daran liegen mag, dass wir in der Nebensaison hier sind. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Gassen zu erkunden und die alte Brücke aufzusuchen. 

Wir rollen weiter bis nach Albenga. Wir werden eins mit dem Asphalt. Wir kennen die Strecke schon und haben nur ein Ziel vor Augen: eine warme Dusche und einen Teller Pasta. Am Capo Berta und am Capo Mimosa halten wir noch einmal inne – das Meer glitzert türkisblau und wir sind dankbar, dass unsere gesunden Füße uns die Anstiege hinauftragen. 

DIE WÄSCHE DARF NICHT FEHLEN. Im Gegensatz zu den kleineren Orten auf der Strecke ist Albenga sehr lebendig. In den schmalen Gassen der Stadt gibt es einige ansprechende Lokale und Boutiquen. Der Blick nach oben schreit förmlich nach Italien: die Einheimischen hängen überall ihre frisch gewaschene Wäsche auf und liefern den Touristen Motive für typische Urlaubsfotos. 

Wir beenden unsere Etappe im Ristorante Le Anfore. Hier stimmt einfach alles: der Geschmack, das Ambiente, die Portionen und der Preis. Zu guter Letzt holen wir uns noch ein Eis aus der Gelateria Cioccogelato – ein herrlicher süßer Abschluss!

Das Adrenalin kickt

In der heutigen Etappe haben wir einen ganz klaren Vorteil. Zum ersten Mal haben wir eine Bleibe für zwei Nächte und können somit ohne Zusatzgepäck das Hinterland von Albenga erkunden. 

Wir haben eine lange Tour geplant, also heißt es zuerst ausgiebig frühstücken: das kann man wunderbar im Café Ex Atelier. Hier gibt es ausgezeichnete Brioche al cioccolato und wunderbaren Kaffee. 

SANFTE HÜGEL, VERLASSENE DÖRFER. Wir starten von Albenga auf der SS453 Richtung Pieve di Teco. Auf dem Asphalt kommt man schnell in Fahrt und wir rollen immer weiter ins Arroscia-Tal hinein. Es gibt immer wieder sanfte Anstiege, die Gegend wird umso ruhiger und verlassener, je weiter wir ins Tal vordringen. Links und rechts erblickt man nun auch immer wieder Bergdörfer in der Ferne. Wir bemerken außerdem einige verwahrloste Gebäude – die Landflucht ist hier spür- und sichtbar. Wir glauben schon gar nicht mehr, anderen Menschen zu begegnen, doch einmal in Pieve di Teco angekommen, wird es auch wieder lebhafter. Hier begegnen wir sogar einigen Reisegruppen, die mit Bussen in den beliebten Ort reisen. Unter den Arkaden säumen sich einige Kaffeehäuser, und auch wir beschließen, einzukehren und uns vor der Weiterfahrt zu stärken. Es lohnt sich in jedem Fall, den Ort zu erkunden und hier bei Bedarf noch Verpflegung für die Weiterfahrt zu besorgen.

STEIL HINAUF. Für uns geht es nun hoch hinauf Richtung Borghetto und Aquila d’Arroscia. Der Anstieg nach Gazzo hat im Schnitt eine Steigung von etwa 6,5 Prozent. Die Gegend ist geradezu unheimlich idyllisch. Wir empfinden die Fahrt schlicht als traumhaft, auch weil wir die Einzigen sind, die hier zwischen den Olivenhainen radeln. Neben unserem eigenen Atem begleitet uns nur das Läuten der Kirchenglocken aus den entfernten Bergdörfern. Wir bleiben einige Male stehen, um die atemberaubende Landschaft mit der Kamera einzufangen. Wir haben relativ klare Sicht und können an manchen Stellen sogar bis zum Meer sehen. Der Asphalt ist auf dieser Strecke in mittelmäßigem Zustand. Noch viel wichtiger zu wissen ist, dass es auf der Strecke keinerlei Verpflegungsmöglichkeiten gibt. Es ist also unbedingt notwendig, ausreichend eigene Snacks und genügend Wasser mitzubringen. 

BESSER MIT RAD. Der Ort Aquila wird in den Reiseführern als außergewöhnlich beschrieben. Für uns gilt: der Weg ist das Ziel. Die Fahrt bis nach Aquila ist spektakulär und einzigartig. Der Ort selbst ist ausgestorben und auch hier gibt es keine Möglichkeit einzukehren oder Lebensmittel zu besorgen. Die Gegend mit dem Rad zu erkunden, ist ein tolles Erlebnis – wir empfinden es allerdings nicht als empfehlenswert, die Strecke mit dem Auto abzufahren. Ist man auf dem Rad unterwegs, ist alles intensiver. Man hat Zeit, die Umgebung wirklich wahrzunehmen, es ist regelrecht entschleunigend. Das Erlebnis wäre mit dem Auto wohl nicht dasselbe. Natürlich mag es sein, dass die Gegend in der Hauptsaison belebter ist. 

In Aquila heißt es für uns: Ärmlinge und Gillet an und los geht’s. Die Abfahrt bis nach Ranzo ist tatsächlich rasant. Beim Aufstieg konnten wir alles in Ruhe wahrnehmen und nun rauscht die wunderschöne Landschaft an uns vorbei – das Adrenalin kickt.

ENTSPANNEN IM CENTRO STORICO. Am Weg retour nach Albenga gibt es einen großen Decathlon-Store: wer also Snacks aufrüsten oder fehlendes Equipment besorgen möchte, kommt hier nicht zu kurz. Einmal in der Stadt angekommen, nutzen wir den verbleibenden Nachmittag, um durch das historische Zentrum zu strawanzen. Wer sich die Füße vertreten möchte, kann bis zur Strandpromenade spazieren und den Blick aufs Meer genießen. Dabei darf ein Besuch in einer Bäckerei nicht fehlen, um sich bei hausgemachter Foccacia zu stärken. Während wir auf einen beinahe leeren Strand blicken, kann man sich vorstellen, wie hier im Sommer ein Schirm neben dem anderen aufgespannt wird. Den Abend lassen wir wieder bei einer ordentlichen Portion Pasta ausklingen. 

Italien, du wirst uns fehlen

Heute Morgen ist es Grau in Grau. Der Regen kommt immer näher, trotzdem ist unser erster Stopp das Café Ex Atelier. So viel Zeit muss sein. Zwei Cappuccino, vier Brioche. Wir zahlen dafür knapp 10 Euro – Italien, du wirst uns fehlen. Gut gestärkt radeln wir los und sind dankbar über die Bewegung, die unseren Körper von innen wärmt. Noch bevor wir in Finale Ligure ankommen, schüttet es in Strömen.

NASS UND GRAU. Die Regenjacke hält uns trocken, dennoch brauchen wir einen Platz, um uns aufzuwärmen. Finale Ligure hat Charme und es gibt einige Lokale und Läden, die – bei besserem Wetter – zum Bummeln einladen. Wir wärmen uns bei einer weiteren Tasse Cappuccino im Café Caviglia auf. Wir versuchen, dem stärksten Regen auszuweichen und stellen uns bei den Arkaden unter. Schnell ist unsere Aufmerksamkeit aufgrund des Duftes bei der Panetteria Pippo. Bis wir die wunderbare Foccacia verdrückt haben, hat der Regen aufgehört und wir machen uns auf den Weg nach Giustenice. Wir begeben uns also ins Hinterland, das verlassen und idyllisch ruhig wirkt. Bevor wir dem kühlen Nass entfliehen, müssen wir einen etwas längeren Anstieg erklimmen, ehe wir im B&B L’Acacia ankommen. 

Das idyllische Dörfchen Balestrino erstrahlt in der Morgensonne.

REST DAY. Wir werden unheimlich freundlich empfangen und machen es uns in unserem urigen Appartement gemütlich. Trotz des Regens erblicken wir gegenüber das kleine Bergdorf San Michele. Heute werden wir wetterbedingt zu einem Rest Day gezwungen. Wir sind froh, so eine hilfsbereite Gastgeberin zu haben, die uns bei der Suche nach Lokalen unterstützt. Zugegebenermaßen gibt es in der Umgebung nicht sonderlich viel Auswahl und aufgrund des Wetters wollen wir nicht bis nach Finale Ligure radeln. Wir probieren unser Glück im Restaurant Capalla und bekommen prompt einen Tisch. Das Lokal befindet sich in etwa 25 Minuten zu Fuß von der Unterkunft entfernt. Wir sind die ersten Gäste, doch schnell füllt sich das Lokal und der Geräuschpegel steigt. Mit Ausnahme von uns sind nur Einheimische hier – ein gutes Zeichen. Die Bedienung ist sehr freundlich und das Essen schmeckt hervorragend. Im Restaurant Capalla stehen Nachhaltigkeit und Regionalität an erster Stelle. Wer in der Gegend ist, sollte unbedingt Farinata probieren. Wir sind froh, unmittelbar neben dem Lokal noch einen kleinen Greissler zu entdecken, bei dem wir unsere Wasser- und Proviantvorräte aufstocken können. 

Gestärkt geht es zurück in unsere Unterkunft. Gott sei Dank hat es sich heute ausgeregnet, sodass unserer langen Tour morgen nichts im Weg steht. 

Verschneite Gipfel

Im B&B bekommen wir ein umfangreiches Frühstück serviert. Wie es sich für Italien gehört, gibt es vor allem eine große Auswahl an süßen Leckereien. Heute steht eine große Tour ins Hinterland an, bei der wir sogar die Grenze nach Piemont überschreiten. Wir sind also dankbar über die große Stärkung und brechen früh auf. Ab Toirano beginnt der Aufstieg nach Castelvecchio di Roca Barbena. Der Anstieg ist sehr ruhig, es herrscht wenig Verkehr und man durchquert einige malerische Dörfer, wie zum Beispiel Balestrino. Hier laden einige wenige Bars zu einem Espresso-Stop ein, denn später in Castelvecchio und Zuccharello finden wir kaum ein Angebot an Lokalen. Im Sommer ist hier vermutlich mehr los, so lockt die alte Burg bestimmt den ein oder anderen Touristen an. Wir rollen nach Zuccharello hinunter, stärken uns mit einem Kaffee und dürfen dann dieselben Serpentinen wieder hochradeln. 

Ungestörte Abfahrt in Richtung Zuchharello (links). Castelveccio di Roca Barbena

scheint beinahe wie eine Geisterstadt zu sein (Mitte). Eine echt magische Stärkung (rechts)!

KEINE ORTE, KEIN VERKEHR. Nun beginnt der lange, sanfte Anstieg zu le Volte – den Windrädern. Es gibt hier kaum Verkehr, mitunter deshalb, weil es hier auch keine Ortschaften mehr gibt. Die meisten Autos, die wir antreffen, transportieren Mountainbikes und die motivierten Fahrer:innen gleich mit. Hier im Hinterland von Ligurien gibt es einige spektakuläre Trails für Abenteuerlustige. Am höchsten Punkt des Passes steht ein verfallenes Lokal. Auch Radfahrer haben wir hier weit und breit keine gesehen. Wir begegnen einzig einigen Motorradfahrern. Wir halten inne und genießen den unglaublichen Fernblick auf verschneite Gipfel. Nun beginnt der lange Abstieg nach Garessio

Es ist ein eigenartiges Gefühl, man freut sich, wieder Zivilisation zu spüren und dennoch scheint Garessio von außen recht verfallen. Wir sind hungrig und probieren unser Glück. Wir machen uns auf die Suche nach dem Ortskern – und sind überglücklich, dass die Agribar/Trattoria del Duduro geöffnet hat. Wir bestellen uns Panini und Cola und erwarten, um ehrlich zu sein, nicht zu viel. Die Bar wirkt auf den ersten Eindruck vielleicht wenig einladend. Doch wir bekommen ein herrlich frisches Panini mit Prosciutto und lokalem Käse. Genau das Richtige vor der Weiterfahrt. Denn nun geht es ab auf den Colle di Quazzo. Auf einer Länge von 6,5 Kilometer legt man hier 650 Höhenmeter zurück. Die Beine brennen, und während man versucht, die Landschaft zu genießen, bemerkt man, dass man auf dieselbe Höhe hinauffährt, wie wir bereits auf Le Volte waren – der Anstieg hat es in sich.

ACHTUNG, GEFAHR! Nach dem Colle folgt die Abfahrt nach Calizzano, hier ist durchaus Vorsicht geboten, da der Asphalt oft in schlechtem Zustand ist. Calizzano ist eine größere Gemeinde, in der man auch die Möglichkeit hat, seine Vorräte wieder aufzubessern oder in einem Café einzukehren. Doch auf uns wartet schon der nächste Anstieg, und zwar nach Melogno. Es ist ein langer, aber sanfter Anstieg, der großteils im Wald gelegen ist. Bei den Asphaltbedingungen ist hier ebenfalls Vorsicht geboten. Umgeben von Bäumen genießen wir hier die frische Luft und kommen trotz dem bergauf Fahren zur Ruhe. 

15 KILOMETER ABWÄRTS. Der Abschluss der Tour wird jene Radfahrer:innen glücklich machen, die Abfahrten lieben. Es folgt eine 15 Kilometer lange Abfahrt nach Finale Ligure. Sie bietet traumhaft Ausblicke, allerdings herrscht auch recht reges Verkehrsaufkommen. Nach der langen Tour gilt es also hier, nochmal alle Aufmerksamkeit zu bündeln. 

Einmal in Finale angekommen, entscheiden wir uns, nach Pietra Ligure weiter zu radeln. Die Altstadt bietet einige nette Lokale und ist wesentlich weniger überlaufen als Finale Ligure. Nach einer ordentlichen Portion Pasta sind wir auch für den letzten Anstieg nach Giustenice gestärkt und freuen uns auf eine warme Dusche und unser Bett. 

Gelato am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen

Ganz in lila: kurzer Stopp am Weg retour nach Genua (links).

Dolce for Niete in Noli (Mitte). Die malerischen Buchten laden zum Baden ein (rechts).

Heute heißt es Abschied nehmen. Wir machen uns auf den Rückweg nach Genua. Doch so richtig können wir uns von Bella Italia noch nicht lösen, also immer mit der Ruhe. Die Straße zwischen Pietra Ligure und Finale Ligure ist wunderschön, man kann das Meer förmlich riechen. Wir kehren gleich in Finale Ligure auf einen Cappuccino ein. Der Platz ist in der Sonne und wir beobachten die Kinder, die hier spielen, während die Eltern einen ruhigen Moment im Café genießen.

Auch am heutigen Ostersonntag haben alle Lokale bereits in aller Früh geöffnet. Man merkt auch daran, dass die Kellner zumeist Englisch sprechen, dass es sich um einen eher touristischen Ort handelt. Wir können es verstehen – der Ort hat Charme und die Gassen laden zum Flanieren ein. Wir gönnen uns ein morgendliches Eis in der Gelateria La Sosta.

Am bereits bekannten Radweg radeln wir Genua entgegen. Wir genießen jeden Blick auf das Meer, das in der Morgensonne glitzert. Von Finale nach Noli schlängelt sich die Straße an den Klippen entlang. Wir halten einige Male für Fotos an. In Noli entschließen wir uns, noch einen Stopp zu machen. Der Ort ist sehr quirlig, es gibt einige nette Cafés und der Hausstrand lädt zum Verweilen ein. Wer Zeit hat, sollte unbedingt einen Abstecher ins Centro Storico machen. Direkt hinter dem Stadttor befindet sich ein kleiner Platz mit einigen Kaffeehäusern.

UNVERGESSLICH. Wir lassen hier die Eindrücke der vergangenen Tage Revue passieren. Es war eine unvergessliche Reise und es fühlt sich gut an, all dies mit dem Rad erkundet zu haben. Eine Art zu reisen, die es ermöglicht, einen Gang zurückzuschalten. Es erlaubt einem, die Umgebung mit all seinen Sinnen wahrzunehmen. Trotzdem das Bikepacking bedeutet, einiges an Anstrengung in Kauf zu nehmen, sind wir am Ende der Reise unheimlich aufgeladen und erholt. Wir verweilen den gesamten Nachmittag im Café, bevor wir uns auf den Weg machen und unsere Räder für die Heimreise wieder zerlegen. Wir besorgen uns Foccacia für die Heimreise und nehmen uns sozusagen Italien to go mit. Und lange bevor wir in den Zug steigen, beginnen wir schon wieder, unsere nächste Reise zu planen. 

INFO

Gepäckaufbewahrung Via Balbi: www.stowyourbags.com

Bed and Breakfast Palazzo Duca: www.palazzodelducacervo.com/

Pizzeria/Hostaria A Veggia Baracca: Via Circonvallazione di Ponente 1, 18010 Cervo, Imperia

Café Buona Vita Cipressa: www.cipressa.com, Adresse: Piazza Giuseppe Mazzini 2, 18017 Cipressa, Imperia

Ristorante/Pizzeria Portanizza: www.portanizza.com

Hôtel des Londres, Menton: www.hotel-de-londres.com

Pizzeria Al Vecchio Forno: https://cinque-valli.com/listing/al-vecchio-forno/

Crêperie Fleur de Sel: 2 Rue du Vieux Collège, 06500 Menton

Airbnb Il Maestrale: www.airbnb.at/rooms/44262197?_set_bev_on_new_domain=1702207018_NjYwYzRjN2FjM2Fh&source_impression_

Café Ex Atelier: Via Enrico D’Aste 10, 17031 Albenga

Pasticceria Bar Caffetteria Caviglia: Via XXV Aprile, 5/B, 17047 Vado Ligure

Panetteria Pippo: Via Roma, 13, 17024 Finale Ligure

L’Acacia B&B: www.bbacaciagiustenice.it

Ristorante Capalla: Via Besso, 4, 17027 Giustenice

Gelateria La Sosta: www.alsosta.it

Pasticceria Douce: www.douce.it

SIEBEN ETAPPEN

Etappe 1: Genua – Cervo; 109,51 km, 785 Höhenmeter, 5:01:16 Stunden

Etappe 2: Cervo – Èze – Menton; 102,16 km, 1452 Höhenmeter, 5:16:29 Stunden

Etappe 3: Menton – Poggio — Dolcedo – Albenga; 107,65 km, 1004 Höhenmeter, 5:15:06 Stunden

Etappe 4: Albenga – Pieve di Teco – Aquila di Arroscia – Albenga; 70,75 km, 921 Höhenmeter, 3:39:15 Stunden

Etappe 5: Albenga – Giustenice; 33,36 km, 317 Höhenmeter, 1:49:43 Stunden

Etappe 6: Giustenice – Balestrino – Castelvecchio di Roca Barbena – Zuccharello – Colle di Quazzo – Calizzano – Finale Ligure – Giustenice; 114,72 km, 2752 Höhenmeter, 6.54.32 Stunden

Etappe 7: Giustenice – Genua; 78,08 km, 479 Höhenmeter, 3:42:46 Stunden

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